Hitschmann, Friedrich: Gedanken über die Schönheit. In: Kürt, Camilla (Hrsg.): Wiener Hausfrauen-Zeitung, Nr. 9, S.77. Wien, 25. Februar 1894.

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Album der Poesie.

Gedanken über die Schönheit.

In Ewigkeit wird kein Verstand ergründen, worin das Wesen der Schönheit liegt, wozu wäre aber das auch nöthig, da jedes Herz es fühlt?

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Hässliche Mädchen taugen besonders für die Ehe, weil sie stets treu sind. Letzteres kommt übrigens auch unter den schönen bisweilen vor.

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Echte Kunstwerke sollten nicht aus allzu kostbarem Stoff verfertigt werden. Denn wie die Menschen nun einmal sind, vergessen sie über dem Gold und Elfenbein leicht den Zeus, und wenn ein Phidias ihn geformt hätte.

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Wenn es den modernen Schriftstellern gelingen sollte, die Schönheit aus der Kunst zu verdrängen, im Leben werden die Frauen ihren Cultus stets aufrecht erhalten ; glücklicherweise — meinen die Idealisten und die Schneiderinnen.

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Wer in der Schönheit nach Beweisen fragt, den sollte man nicht auslachen, sondern bedauern.

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Nichts ist leichter, als über die Principien des Schönen zu discutieren. Nicht etwa weil jeder davon etwas verstünde, sondern eben weil keiner sie versteht.

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Wie wenig Praxis und Theorie einander bedingen, zeigt sich auch in Fragen der Schönheit unverkennbar. Denn die Frauen, die größten Praktikerinnen auf diesem Gebiete, wissen gewöhnlich von Ästhetik so gut als gar nichts.

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Wir können nicht alle schön sein; aber wir sollten alle die Schönheit bewundern können.

Friedrich Hitschmann.