Hitschmann, Friedrich: Gedankensplitter. In: Kürt, Camilla (Hrsg.): Wiener Hausfrauen-Zeitung, Nr. 36, S.303. Wien, 6. September 1896.
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Unsere Zustände schmäht ihr und wollt eine neue Gesellschaft?
Niederzureißen ist leicht, aber das Bauen ist schwer.
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Krank und verdorben nennt ihr unsere Zeit?
Ich kann es leider nicht so ganz verneinen:
Doch wenn ich's recht erwäge, will mir scheinen
Dass ihr, die Ärzte, selbst am kränksten seid.
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Aus Irrthum war die Menschheit lang geneigt,
Zu glauben, nur die Reinlichkeit sei gut;
Erst die Modernen haben uns gezeigt,
Welch große Heilkraft in dem Schmutze ruht.
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Seit wann hat sich die Welt so weit
Von ihrem sonst'gen Lauf entfernt,
Dass man im Tollhaus Weisheit lernt
Und im Gefängnis Sittlichkeit?
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„Willst du erfahren, was sich ziemt,“ sagt Goethe,
„So frage nur bei edlen Frauen an;“
Doch dieser Frauen Wangen färbt die Röthe
Der Scham vor dem veristischen Roman.
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Die Dichtung, sagt man, sei ein Spiegel ihrer Zeit.
Weh' uns, wenn Zola uns ein Bild der unsern beut.
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Was Großes, Hohes je die Menschen schauten
Naturalisten haben's nicht gemacht;
Aus Marmor, nicht aus Schlamm und Koth erbauten
Schon die Hellenen ihrer Tempel Pracht.
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Sagt, wenn die Welt so schreckenvoll
Und finster ist, wie ihr sie findet,
Woher das Licht denn konmen soll,
Das ahnend ihr voraus verkündet ?
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Stoff zu Xenien wär'
Auch heut' noch in Fülle vorhanden,
Leider fehlen uns nur
Schiller und Goethe dazu.
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Ihr seid in einem Rechte, wenn ihr nicht
Den Kauderwelsch des Dialects verschmäht.
Denn dieser ist es, den die Menge spricht.
Was thut’s, dass ihn der Leser nicht versteht?
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Dichterschulen sind oft der thörichten Herde vergleichbar,
Die ihrem Leithammel folgt, wär's auch hinein in den Sumpf.
Friedrich Hitschmann.