Friedrich Hitschmann

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friedrich_hitschmann_-_gedankensplitter_1896_2

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 ===== Gedankensplitter. ===== ===== Gedankensplitter. =====
 +
 +=== Gegen die Naturalisten. ===
 +
 +Unsere Zustände schmäht ihr und wollt eine neue Gesellschaft?\\
 +Niederzureißen ist leicht, aber das Bauen ist schwer.
 +
 +<sup>*</sup>  <sub>*</sub> <sup>*</sup>
 +
 +Krank und verdorben nennt ihr unsere Zeit?\\
 +Ich kann es leider nicht so ganz verneinen:\\
 +Doch wenn ich's recht erwäge, will mir scheinen\\
 +Dass ihr, die Ärzte, selbst am kränksten seid.
 +
 +<sup>*</sup>  <sub>*</sub> <sup>*</sup>
 +
 +Aus Irrthum war die Menschheit lang geneigt,\\
 +Zu glauben, nur die Reinlichkeit sei gut;\\
 +Erst die Modernen haben uns gezeigt,\\
 +Welch große Heilkraft in dem Schmutze ruht.
 +
 +<sup>*</sup>  <sub>*</sub> <sup>*</sup>
 +
 +Seit wann hat sich die Welt so weit\\
 +Von ihrem sonst'gen Lauf entfernt,\\
 +Dass man im Tollhaus Weisheit lernt\\
 +Und im Gefängnis Sittlichkeit?
 +
 +<sup>*</sup>  <sub>*</sub> <sup>*</sup>
 +
 +"Willst du erfahren, was sich ziemt," sagt Goethe,\\
 +"So frage nur bei edlen Frauen an;"\\
 +Doch dieser Frauen Wangen färbt die Röthe\\
 +Der Scham vor dem veristischen Roman.
 +
 +<sup>*</sup>  <sub>*</sub> <sup>*</sup>
 +
 +Die Dichtung, sagt man, sei ein Spiegel ihrer Zeit.\\
 +Weh' uns, wenn Zola uns ein Bild der unsern beut.
 +
 +<sup>*</sup>  <sub>*</sub> <sup>*</sup>
 +
 +Was Großes, Hohes je die Menschen schauten\\
 +Naturalisten haben's nicht gemacht;\\
 +Aus Marmor, nicht aus Schlamm und Koth erbauten\\
 +Schon die Hellenen ihrer Tempel Pracht.
 +
 +<sup>*</sup>  <sub>*</sub> <sup>*</sup>
 +
 +Sagt, wenn die Welt so schreckenvoll\\
 +Und finster ist, wie ihr sie findet,\\
 +Woher das Licht denn konmen soll,\\
 +Das ahnend ihr voraus verkündet ?
 +
 +<sup>*</sup>  <sub>*</sub> <sup>*</sup>
 +
 +Stoff zu Xenien wär'\\
 +Auch heut' noch in Fülle vorhanden,\\
 +Leider fehlen uns nur\\
 +Schiller und Goethe dazu.
 +
 +<sup>*</sup>  <sub>*</sub> <sup>*</sup>
 +
 +Ihr seid in einem Rechte, wenn ihr nicht\\
 +Den Kauderwelsch des Dialects verschmäht.\\
 +Denn dieser ist es, den die Menge spricht.\\
 +Was thut’s, dass ihn der Leser nicht versteht?
 +
 +<sup>*</sup>  <sub>*</sub> <sup>*</sup>
 +
 +Dichterschulen sind oft der thörichten Herde vergleichbar,\\
 +Die ihrem Leithammel folgt, wär's auch hinein in den Sumpf.
 +
 +Friedrich Hitschmann.
  
  
friedrich_hitschmann_-_gedankensplitter_1896_2.1732405226.txt.gz · Zuletzt geändert: 2024/11/23 23:40 von Daniel Schönfeld

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