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arthur_wreschner_-_rezension_der_blinde_und_die_kunst [2020/03/15 11:24] – Daniel Schönfeld | arthur_wreschner_-_rezension_der_blinde_und_die_kunst [2020/03/15 17:15] (aktuell) – Daniel Schönfeld |
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Wreschner, Arthur: Fr. Hitschmann: Der Blinde und die Kunst. Vierteljahresschr. f. wissenschaftl. Philos., Bd. XVII, 3. S. 312–320, 1893. In: Ebbinghaus, Hermann u. Arthur König (Hrsg.): Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. Bd. VII, S. 415-417. Hamburg und Leipzig, 1894. | Wreschner, Arthur: Fr. Hitschmann: Der Blinde und die Kunst. Vierteljahresschr. f. wissenschaftl. Philos., Bd. XVII, 3. S. 312–320, 1893. In: Ebbinghaus, Hermann u. Arthur König (Hrsg.): Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. Bd. VII, S. 415-417. Hamburg und Leipzig, 1894. |
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| Online-Version: [[http://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/library/data/lit15587|http://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/library/data/lit15587]]; [[https://digitalesammlungen.uni-weimar.de/viewer/piresolver?id=lit15587|https://digitalesammlungen.uni-weimar.de/viewer/piresolver?id=lit15587]] |
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====== Rezension: "Der Blinde und die Kunst" ====== | ====== Litteraturbericht: "Der Blinde und die Kunst." ====== |
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Fr. Hitschmann. **Der Blinde und die Kunst. **//Vierteijahrsschr// //. // //f. wissenschaftl. Philos. //Bd. XVII, 3. S. 312-320. (1893). | Fr. Hitschmann. **Der Blinde und die Kunst. **//Vierteijahrsschr// //. // //f. wissenschaftl. Philos. //Bd. XVII, 3. S. 312-320. (1893). |
Unter den Romanen nehmen nur die „Bildungsromane“, wie //Wilhelm Meister, //eine Sonderstellung ein. Warum der Genuß anderer Romane so gering sein soll, ist nicht ersichtlich. Denn die Chara ktere gehen doch nicht aus den toten Gegenständen der äußeren Umgebung hervor, sondern, wie H . wohl selbst durch die Worte „au s dem Charakter der Umgebung“ andeutet, aus den umgebenden sozialen, familiären und anderen psychologischen Verhältnissen. Warum soll für diese der Blinde weniger Verständnis haben. | Unter den Romanen nehmen nur die „Bildungsromane“, wie //Wilhelm Meister, //eine Sonderstellung ein. Warum der Genuß anderer Romane so gering sein soll, ist nicht ersichtlich. Denn die Chara ktere gehen doch nicht aus den toten Gegenständen der äußeren Umgebung hervor, sondern, wie H . wohl selbst durch die Worte „au s dem Charakter der Umgebung“ andeutet, aus den umgebenden sozialen, familiären und anderen psychologischen Verhältnissen. Warum soll für diese der Blinde weniger Verständnis haben. |
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Ganz besonderes Interesse nimmt der Blinde an Dialogen, Novellen und vor allem an Dramen, sobald deren Wert und Wirkung nicht in der Darstellung liegt (Theaterdramen). Daher hält H. den Blinden für den geeignetsten Beurteiler des ästhetischen Wertes eines Dramas, name ntlich was die sprachliche Vollkommenheit und den Rhythmus an la ngt. Hierfür soll der Blinde einen so ausgeprägten Sinn haben, daß er in der Poesie jeden metrischen Fehler, in der Prosa jeden unwillkürlich eingestreuten Vers mit größter Leichtigkeit und ohne große Aufmerksamkeit bemerkt. Mit Recht führt H. diese interessante Thatsache auf die einseitige, daher auch um so vollkommenere Ausbildung des Gehörs zurück! Dagegen wird man der Folgerung, daß der Blinde der kompetente Beurteiler eines Kunstwerks ist, nicht beitreten können. H. unterschätzt wiederum den ästhetischen Wert der Gesichtsempfindung. Das Spiel eines Dramas ist an und für sich von hoher künstlerischer Bedeutung. | Ganz besonderes Interesse nimmt der Blinde an Dialogen, Novellen und vor allem an Dramen, sobald deren Wert und Wirkung nicht in der Darstellung liegt (Theaterdramen). Daher hält H. den Blinden für den geeignetsten Beurteiler des ästhetischen Wertes eines Dramas, namentlich was die sprachliche Vollkommenheit und den Rhythmus an la ngt. Hierfür soll der Blinde einen so ausgeprägten Sinn haben, daß er in der Poesie jeden metrischen Fehler, in der Prosa jeden unwillkürlich eingestreuten Vers mit größter Leichtigkeit und ohne große Aufmerksamkeit bemerkt. Mit Recht führt H. diese interessante Thatsache auf die einseitige, daher auch um so vollkommenere Ausbildung des Gehörs zurück! Dagegen wird man der Folgerung, daß der Blinde der kompetente Beurteiler eines Kunstwerks ist, nicht beitreten können. H. unterschätzt wiederum den ästhetischen Wert der Gesichtsempfindung. Das Spiel eines Dramas ist an und für sich von hoher künstlerischer Bedeutung. |
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– Recht bemerkenswert ist noch die Beobachtung des Verf., daß die Nachahmung von Geräuschen, z.B. der künstlich erzeugte Donner, störend und zerstreuend auf den Blinden wirkt. Sollte diese Thatsache nicht reinsubjektiver Natur sein, so ließe sie sich kaum durch den Satzerklären, daß solche Gehörseindrücke nur die Illusion verstärken, aber nicht hervorbringen können. Warum dieses? Vielmehr scheint im Gegenteil das Fehlen des Gesichtssinnes als einer Kontrolle die Ill usion zu stark werden zu lassen und dadurch das unangenehme Gefühl der Wirklichkeit des Donners zu veranlassen. Auch die einseitige Richtung der Aufmerksamkeit auf die Gehörswahrnehmung trägt zur Erhöhung der Illusion bei. | – Recht bemerkenswert ist noch die Beobachtung des Verf., daß die Nachahmung von Geräuschen, z.B. der künstlich erzeugte Donner, störend und zerstreuend auf den Blinden wirkt. Sollte diese Thatsache nicht reinsubjektiver Natur sein, so ließe sie sich kaum durch den Satzerklären, daß solche Gehörseindrücke nur die Illusion verstärken, aber nicht hervorbringen können. Warum dieses? Vielmehr scheint im Gegenteil das Fehlen des Gesichtssinnes als einer Kontrolle die Illusion zu stark werden zu lassen und dadurch das unangenehme Gefühl der Wirklichkeit des Donners zu veranlassen. Auch die einseitige Richtung der Aufmerksamkeit auf die Gehörswahrnehmung trägt zur Erhöhung der Illusion bei. |
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Am Schluße sucht H. noch die Bedeutung der Kunst für die psychische Entwickelung des Blinden näher zu bestimmen und findet sie a) in der Bereicherung des Geistes mit Vorstellungen, des Gemütes mit Empfindungen, b) in der Ausbildung einer idealen Gesinnung. | Am Schluße sucht H. noch die Bedeutung der Kunst für die psychische Entwickelung des Blinden näher zu bestimmen und findet sie a) in der Bereicherung des Geistes mit Vorstellungen, des Gemütes mit Empfindungen, b) in der Ausbildung einer idealen Gesinnung. |