Friedrich Hitschmann

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Hitschmann, Friedrich: W. Bormann: Kunst und Nachahmung. No. 5. der Flugschriften gegen den Materialismus, herausgegeben von Schmidkunz, Stuttgart, Krabbe, 1898, 48 S. In: Ebbinghaus, Hermann u. Arthur König (Hrsg.): Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. Bd. V, S. 127-128. Hamburg und Leipzig, 1893.

Online-Version: https://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/references?id=lit15125&page=p0127; https://digitalesammlungen.uni-weimar.de/viewer/piresolver?id=lit15125

Litteraturbericht: "Kunst und Nachahmung."

W. Bormann. Kunst und Nachahmung. No. 5 der Flugschriften gegen den Materialismus, herausgegeben von Schmidkunz. Stuttgart, Krabbe, 1892. 48 S.

In dem ersten, mehr allgemein gehaltenen Teil der Broschüre geht der Autor von der Thatsache aus, daß Aristoteles der Erste gewesen, der den Begriff der Naturnachahmung in die Definition der Kunst aufgenommen. Da sich jedoch diese Nachahmung nicht bloß auf Gegenstände der äußeren Natur, sondern schon nach Aristoteles selbst auch auf Leidenschaften und Affekte, kurz auf Erscheinungen des Mikrokosmos bezieht, sieht Bormann sich veranlaßt, an dieser Stelle eine knappe Übersicht der Prinzipien der idealistischen Philosophie von Descartes bis Kant und Fichte einzuschalten, welche bekanntlich ihren Schwerpunkt im Seelenleben des Menschen gesucht hat. Nach dieser Abschweifung wendet er sich zur Untersuchung des Verhältnisses zwischen dem Natur- und dem Kunstschönen.

Er bespricht die Ansichten Schellings, Hegels und einiger späterer Ästhetiker, welche alle den Schönheitsgehalt der Natur mehr oder weniger unterschätzen, und führt zuletzt im Gegensatze zu Hartmann seine eigene Meinung aus, die in dem Satze gipfelt: „Das einzelne Naturschöne, wenn wir es nur sinnlich und begrenzt auffassen, ist dem Kunstschönen untergeordnet; doch ist eben eine solche enge Auffassung dem Wesen der Natur zuwider, die in allen ihren Äußerungen zum großen Allgemeinen und zum Geistigen hinstrebt.“ Er steht hierin ganz auf dem Standtpunkt Schillers, auf den man in ästhetischen Fragen überhaupt immer wieder zurückzugehen genötigt ist. – Im zweiten Teile scheitert der Verfasser an der unlösbaren Aufgabe, eine Analyse sämtlicher Künste auf den engen Raum von ca. 20 Druckseiten zusammenzudrängen. Doch enthält gerade dieser Teil eine Fülle einzelner geistvoller Bemerkungen, wie etwa jene über den Unterschied zwischen Dichter und Maler, worin der Autor die Ausführungen des „Laokoon“ mehrfach glücklich ergänzt. Höchst treffend ist es auch, wenn er die Musik als die Weltsprache der reinen, der Sinnlichkeit entrinnenden Empfindung definiert oder vom Tanze sagt, daß er zwar nicht in eigenen Äußerungen des Geistes, aber doch in reinster Vergeistigung des Leiblichen bestehe.

Die Polemik gegen den Materialismus, die sich die Broschüre nach dem Titel zur Aufgabe setzt, tritt mehrfach mit störender Absichtlichkeit hervor, ohne daß der Gegenstand gerade besondere Veranlassung dazu böte.

F. Hitschmann (Wien).

friedrich_hitschmann_-_rezension_kunst_und_nachahmung.txt · Zuletzt geändert: 2020/03/15 21:32 von Daniel Schönfeld

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