Friedrich Hitschmann

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Hitschmann, Friedrich: Gedanken über Erziehung. In: Kürt, Camilla (Hrsg.): Wiener Hausfrauen-Zeitung – Organ für hauswirtschaftliche Interessen, Nr. 39, S.336. Wien, 24. September 1893.

Online-Version: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=whz&datum=1893&page=340&size=45

Gedanken über Erziehung.

Es ist ein beklagenswerter Egoismus des Mannes, dass er sich die Frau immer nur als Geliebte, nicht als Mutter vorstellt.

Die Liebe sollte ganz Natur sein und wird meistens als Kunst getrieben, und die Erziehung, die ganz Kunst sein sollte, überlässt man nur zu sehr der Natur.

Der Mann verdient so viel Liebe, als er seiner Frau zollt, und die Frau so viel, als sie ihren Kindern beut.

Die echte Erziehung wirkt ebenso veredelnd auf die Eltern, als auf das Kind.

Unsere Mädchen werden so erzogen, dass die Mutter oft selbst noch Kind ist, wenn sie das ihre erziehen soll.

Die Frau liebt in den Kindern das, was sie sind, der Mann das, was sie einst werden können.

Auch die Kinder sind Egoisten, aber ihre Selbstsucht verletzt nicht, weil sie naiv ist.

Die besten Bücher über Erziehung könnten vielleicht von denen geschrieben werden, die überhaupt keine schreiben können.

Die grösste Kunst des Erziehers besteht darin, consequent zu sein, ohne pedantisch zu werden, und Nachgiebigkeit zu zeigen, ohne schwach zu erscheinen.

Auch die vortrefflichsten Werke über Erziehung vermögen nur dadurch zu nützen, dass wir durch sie klar einsehen lernen, was wir vorher bloß dunkel empfunden haben; wenn absolut neues darin stünde, müsste es uns unverständlich bleiben.

Das Verhältnis zwischen Schule und Haus besteht gegenwärtig nur zu oft darin, dass man sich dort bemüht, aus der Seele des Kindes das auszulöschen, was ihr hier eingeprägt worden ist und umgekehrt.

Ein Kind, von dem man stets Entgegengesetztes verlangt, wird bald nur noch auf eine Stimme hören, nämlich auf die seiner eigenen Wünsche.

Zeigt der Jugend nur das Schöne in der Welt; das Hässliche wird sie früh genug von selbst kennen lernen.

Wenn ihr ein Kind lenken wollt, so sprecht mehr zu seinem Gemüth, als zu seinem Verstande; durch bloße Logik könnt ihr es höchstens verblüffen, nie überzeugen.

Wie glücklich wären die Kinder, wenn ihnen die Jugend nur halb so schön erschiene, als sie sich später im verklärenden Lichte der Erinnerung ausnimmt.

So oft ihr gezwungen seid, ein Kind zu strafen, fraget euch mit Ernst, worin ihr gefehlt habt, dass es soweit hat kommen müssen.

Wenn die Kleinen nicht schon im Spiel die Arbeit kennen lernen, so werden sie später nur zu geneigt sein, die Arbeit als Spiel zu behandeln.

Der Unterricht sei wie die Gymnastik; wie diese den Körper, soll er den Geist nur kräftigen, nicht erschöpfen.

Glaube nicht, wenn das Kind deine Worte nachspricht, müsse es darum auch schon deinen Gedanken gefasst haben.

Kinder sind ein dankbares Studium; nur muss man sie mehr mit dem Herzen, als mit dem Kopfe studieren.

Der kindliche Geist umfasst eine eigene Welt, in der alles gar wunderbar zusammenhängt.

Wer ein Kind nicht ganz kennt, kennt es gar nicht.

Das ist ein schlechter Pädagog, der sich selbst lieber sprechen hört als seinen Schüler.

Die Kinder sind wie die Blumen, deren Kelche Gift und Honig mit gleicher Unschuld umschlossen halten.

Lasset die Kinder Kinder bleiben, solange die Natur es gestattet; sie werden es euch nicht danken, wenn ihr sie vor der Zeit zu Erwachsenen macht.

Friedrich Hitschmann.

friedrich_hitschmann_-_gedanken_ueber_erziehung.txt · Zuletzt geändert: 2024/11/19 21:05 von Daniel Schönfeld

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