Hitschmann, Friedrich: Gedankensplitter. In: Kürt, Camilla (Hrsg.): Wiener Hausfrauen-Zeitung, Nr. 1, S.5. Wien, 3. Januar 1897.
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Album der Poesie.
Gedankensplitter.
Der starke Geist beherrscht das widrige Geschick,
Allein auch seine Kraft lähmt nur zu oft das Glück.
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Dem Opium vergleich' ich die Melancholie,
Sie tödtet, aber sanft und freundlich tödtet sie.
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So raffiniert ist unsere Genusssucht.
Dass sie oft selbst im Schmerze noch Genuss sucht.
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Wer wollte nicht die Tugend loben,
Doch wird sie jeder üben, nein.
Sie sollte weniger erhoben
Und lieber mehr in Übung sein. (Nach Lessing.)
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Das Los der Blumen ist verschieden:
Die eine blüht in stillem Frieden.
Die andere stirbt in Lebenslust
An eines schönen Mädchens Brust.
Und eine dritte wird indessen
Von einem blöden Schaf gefressen.
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Ist nicht das Auge des Weibes dem Kelche der Blume vergleichbar,
Eben die schönste verbirgt oft das verderblichste Gift.
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Jegliche Blume der Flur erfreut uns durch eig'ne Bedeutung,
Aber die Sense des Knechts wandelt sie alle in Heu.
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Nicht zu ertrotzen vermagst du die Gunst der unsterblichen Muse,
Nur durch ergebenen Dienst rührst du ihr etwa das Herz.
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Der eine liebt die Taube, wenn sie frisch
Die Lüfte in gewandtem Flug durchgleitet,
Der andere, wenn sie sorgsam zubereitet
Als Leckerbissen prangt auf seinem Tisch.
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Wer nach dem Lohne seiner Tugend fragt,
Hat ihr im Grund des Herzens schon entsagt.
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„Nur wer sich selbst hilft, dem hilft Gott.“
Dies Sprichwort klang mir stets wie Spott,
Denn wer ruft fremde Hilfe an,
Wenn er sich selber helfen kann.
Was hilft mir die Nothwendigkeit,
Die Allgemeinheit meiner Schmerzen,
Empfind' ich jedes eig'ne Leid
Doch stets in meinem eigenen Herzen.
F. Hitschmann.